- Offizieller Beitrag
Was ist der Mensch?
Um dem Sinn unseres Lebens nachzuspüren, ist es hilfreich darüber nachzudenken, was uns Menschen eigentlich dazu befähigt und antreibt, nach diesem Sinn zu suchen. Denn wer wir Menschen sind, woher wir kommen und wohin wir gehen – mit solchen Fragen beschäftigt sich die Menschheit schon seit jeher. Sowohl Wissenschaftler als auch Theologen und Philosophen der verschiedenen Völker und Kulturen versuchen immer wieder, neue Antworten darauf zu geben. Dennoch haben sie bisher keine allgemein gültige Antwort gefunden.
Die Biologie und Evolutionsforschung hat festgestellt, dass 99% unseres Genmaterials mit dem der Affen übereinstimmt. Und seit Sigmund Freud erklären uns viele Psychologen, dass wir ein Spielball unserer Triebe und Emotionen, sowie unserer sozialen Prägungen und Kindheitserfahrungen sind. Aber ist das wirklich alles, was uns Menschen ausmacht?
Nein, denn wir Menschen haben eine spezifisch menschliche, dritte Dimension! Darauf wies Viktor Frankl, ein Wiener Arzt und Philosoph, hin. Der gläubige Jude geht davon aus, dass der Mensch einen physischen Körper und eine Psyche (im Sinne von Emotionen und Charaktereigenschaften) HAT, aber eine geistige Person IST.
Frankl (1905-1997) ist der Überzeugung, dass wir Menschen frei sind zu einer Stellungnahme gegenüber allem, was das Leben für uns bereithält. Gelingendes, glückliches Leben bedeutet deshalb nicht die völlige Freiheit von Störungen und Problemen. Es bedeutet vielmehr einen Weg gefunden zu haben, mit Schwierigkeiten umzugehen und daran zu wachsen. Basierend auf dieser Erkenntnis entwickelte der Österreicher eine neue Therapie- und Beratungsmethode, die Logotherapie und Existenzanalyse. Deren vorrangiges Ziel ist es nicht, Vergangenes im Leben eines Menschen aufzudecken, sondern vielmehr dessen zukünftige Lebensmöglichkeiten mit ihm gemeinsam zu entdecken.
Damit deckt sich sein Menschenbild mit dem biblischen, das besagt, dass die Seele des Menschen nicht Zubehör ist, sondern der Mensch eine lebendige Seele ist: „Da bildete Gott, der Herr, den Menschen aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens. So wurde der Mensch eine lebendige Seele.“ (1. Mose 2,7)
Viktor Frankl nimmt Bezug auf diese Bibelstelle, wenn er sagt: „Die Eltern geben bei der Zeugung eines Kindes die Chromosomen her – aber sie hauchen nicht den Geist ein. Die Chromosomen bestimmen einzig und allein das Psychophysikum, nicht aber den Geist; sie bestimmen jeweils den psychophysischen Organismus, aber nicht die geistige Person.“
Geist ist dabei nicht zu verwechseln mit Intelligenz und Verstand, denn auch den HABEN wir in mehr oder weniger ausgeprägtem Umfang vererbt bekommen. Die geistige Person wird also nicht von den Eltern geschaffen, sondern IST von Gott urgewollt und bedingungslos geliebt.
In diesem Sinne werden Kinder nicht gezeugt, sondern Eltern werden Zeugen des Wunders der Menschwerdung. Bei der Zeugung eines Kindes wird der Vater um ein paar Gramm leichter, nach der Geburt wiegt die Mutter ein paar Kilo weniger. In Bezug auf die geistige Dimension trifft dies jedoch nicht zu. Denn die Eltern werden nicht an Geist ärmer, sondern die Welt um eine geistige Person reicher. Diese geistige Person ist absolut einmalig, einzigartig, noch nie da gewesen und unwiederholbar.
Viktor Frankl spricht nun davon, dass der Mensch Baumeister seines Lebens sei. Er meint damit: Zwar haben wir alle Erbanlagen, unsere Erziehung und unser gesellschaftliches Umfeld, das uns prägt. Und die Verteilung dieser ‚Mitgift’ ist in unseren Augen nicht immer gerecht, denn die Menschen erhalten sehr unterschiedliches ‚Baumaterial’. Manche haben schwere Startbedingungen, manchen ist Schlimmes widerfahren, während andere mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Munde geboren werden. Aber das ist nicht das Entscheidende. Wichtig ist, wie ein Mensch mit diesem Material sein Leben gestaltet. „Der eine baut ein Gefängnis, der andere baut eine Kathedrale“, so beschrieb es die Psychologin und Schülerin Frankls, Elisabeth Lukas.
Deshalb stimmt es zwar, dass wir den Tieren in körperlichen und psychischen Eigenschaften ähnlich sind. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass zwischen Gefühlen und körperlichen Reaktionen ein enger Zusammenhang besteht, den wir willentlich nicht kontrollieren können. Wenn wir zum Beispiel wütend sind, können wir nicht verhindern, dass sich unser Puls beschleunigt und der Blutdruck steigt. Im Gegensatz dazu kann sich meine geistige Person aber von der wütenden Reaktion distanzieren. Ich kann zwar die Wut nicht „auf Knopfdruck“ abstellen, aber als Person habe ich die Freiheit zu entscheiden, wie ich mich zu dieser Wut verhalte. Das heißt konkret: Ich bin nicht gezwungen, im Zorn alles kurz und klein zu schlagen, sondern kann auch tief durchatmen und die geballten Fäuste in die Hosentasche stecken.
Daraus lässt sich leicht erkennen, dass der Mensch weder durch seinen Charakter oder seine Biografie, durch frühkindliche Verletzungen noch durch sein soziales Umfeld endgültig festgelegt ist. Wir haben immer die Möglichkeit zur Veränderung und können uns in jedem Augenblick unseres Lebens neu auf die Suche nach Sinn und den dazu passenden Handlungsmöglichkeiten machen.
Wenn jemand zum Beispiel den Charakter seines cholerischen Vaters geerbt hat, der schnell aus der Fassung zu bringen war und dann womöglich handgreiflich wurde, gibt es mindestens zwei Möglichkeiten, damit umzugehen: Zum einen kann man sich diesem Charakterzug ausliefern und sich sagen: „Ich habe eben dieses Temperament geerbt und es auch nicht anders gelernt, deshalb kann ich nicht anders.“ (Determinismus) Oder: „Alle cholerischen Menschen schlagen schnell zu, das ist nun mal so.“ (Kollektivismus). Zum anderen aber kann sich jeder Mensch auf seine eigene Verantwortung besinnen und beschließen, dass er eben nicht so sein muss, sondern – gerade weil er um seine Schwäche weiß – auch ganz anders werden kann. Man kann es auch als Geschenk werten, dass man als Kind erlebt hat, welche negativen Folgen aufbrausendes Verhalten mit sich bringt. Denn durch diese Erfahrung weiß man als Erwachsener umso genauer, in welchen Situationen es besonders darauf ankommt, sich anders zu verhalten und ruhig zu bleiben.
Sie haben immer eine Wahl! Auch für Sie gibt es einzigartige Sinnmöglichkeiten zu entdecken, denn Sie SIND ein einzigartiges Geschöpf Gottes! Damit, wie Sie Ihre Begabungen sinnvoll nutzen können, werden wir uns in der nächsten Einheit befassen.
Gedanken aus der Bibel:
Der Mensch ist in Gottes Augen wertvoll und geliebt. Das beschreiben zum Beispiel folgende Verse aus den Psalmen, einem poetischen Buch aus dem Alten Testament:
Herr, was ist der Mensch, dass du ihn beachtest, und das Kind eines Menschen, dass du für es sorgst? (Psalm 144,3)
Du hast alles in mir geschaffen und hast mich im Leib meiner Mutter geformt. Ich danke dir, dass du mich so herrlich und ausgezeichnet gemacht hast! Wunderbar sind deine Werke, das weiß ich wohl. (Psalm 139,13f.)
Fragen zum Weiterdenken:
- Welche körperlichen und charakterlichen Eigenschaften haben Sie als „Baumaterial“ von Gott geschenkt bekommen?
- Welche davon sind besonders gut? Wofür sind Sie Gott dankbar?
- Wenn Ihnen auch weniger gute Eigenschaften einfallen, dann überlegen Sie, wie Sie sich vielleicht anders verhalten können. Welche Alternativen gibt es? Sie können Gott ruhig darum bitten, Ihnen bei dieser Veränderung zu helfen.